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Ergänzende Erläuterungen

 

Offenbarung des Johannes – Pfarrer Andreas Schwendener

Eine Homepage möchte ich Ihnen besonders empfehlen, wenn Sie die Johannes-Offenbarung vertiefen möchten: www.johannesoffenbarung.ch

 

 

Thema Weltuntergang – Prof. Angelika Thol-Hauke

„Apokalyptik hat zu tun mit Vorstellungen vom Ende. Apokalyptik bedeutet Enthüllung, dem Gläubigen wird das Ziel und Ende der Geschichte enthüllt. Er weiß durch diese Enthüllung worauf alles, was in der Gegenwart geschieht, hinauslaufen wird. Apokalyptik ist eine bestimmte Art, die Welt und ihre Geschichte zu deuten.

Alltäglich wird das Adjektiv apokalyptisch häufig benutzt, um katastrophische Ereignisse in ihren unbeschreiblichen zerstörerischen Auswirkungen zu beschreiben. Dieser Gebrauch hängt mit den spezifischen endzeitlichen Vorstellungen von Apokalyptikern zusammen.

Die beiden großen apokalyptischen Texte der Bibel das Buch Daniel und die neutestamentliche  Offenbarung des Johannes stellen mit dramatischen Bildern und mythischen Gestalten einen in kosmischen Dimensionen geführter Kampf zwischen Gut und Böse, Gott und Gegengott dar.

Ähnliche Vorstellungen finden sich auch im Iran (Parsismus, Zarathustra), im Islam und auch in der griechischen Mythologie (Hesiod). Die Verfasser von Apokalypsen teilen Offenbarungen mit, die einem Weisen der Vorzeit (Henoch, Mose, Daniel) gegeben wurden. Diese Lehren waren lange verborgen und versiegelt, jetzt aber werden sie offenbart, dies aber nicht der großen Menge, sondern einem engeren Kreis. Die Weisheit ist im Himmel und wird in Träumen, Visionen mitgeteilt.

Es herrschen dunkle und ungewöhnliche Bilder und Motive vor. Völker, Reiche treten als Tiere, Berge, Wolken auf.

Auch Zahlenspekulationen spielen eine große Rolle: 666, 7, 12, 144000. Dazu kommt eine beabsichtigte Unbestimmtheit und Unklarheit, die das Unsagbare und Unerklärbare andeuten soll. Charakteristisch ist der Mangel an Einheitlichkeit. (…)

Nach jüdischer apokalyptischer Weltsicht zerfällt die Zeit in 2 Perioden: in diese Weltzeit und in die kommende Weltzeit. Der jetzige Aion hat eine bestimmte Dauer, so dass das Ende berechnet werden kann. Dieser unterteilt sich in 4 Epochen, 4 Reiche oder Perioden, die zum Ende hin immer schlechter werden. Das jetzige Zeitalter ist in der Gewalt des Bösen und der Sünde. Licht und Finsternis stehen einander gegenüber.

Gott und Gegengott, häufig in Gestalt eines Drachen (Satan), treten auf zum endscheidenden letzten Kampf. Er endet mit dem Sieg Gottes, die Toten stehen auf, die bösen werden gerichtet und der neue Aion bricht an. Man erwartet die Erneuerung in kosmischen Ausmaßen, einen neuen Himmel und eine neue Erde, eine ungetrübte Gemeinschaft der Menschen mit Gott und untereinander. Als Träger der Heilszeit tritt der Messias auf, der jüdisch national oder eher transzendent universal verstanden wird. Eine messianische Gestalt gehört aber nicht notwendig zur Apokalyptik. Es geht um Errettung aus der absoluten Katastrophe.

Eine böse, tyrannische, grenzenlos zerstörerische Macht beherrscht die Welt – eine Macht, die nicht mehr als menschlich, sondern schlechthin dämonisch empfunden wird. Sie wird ihre Tyrannei zu immer gewaltigeren Schrecken und die Leiden ihrer Opfer bis zur Unerträglichkeit steigern, bis sich plötzlich der heilige Rest erheben, den Tyrannen niederschlagen und selbst die Herrschaft antreten wird. Der Glanz dieses Königreichs wird alle anderen überstrahlen und wird das letzte der Königreiche sein. Diese Errettung ist kollektiv, irdisch, unmittelbar bevorstehend, vollständig, wunderbar.(…)

 

Was aber hat das Christentum mit der Apokalyptik zu tun?  Sagt es nicht, der Messias sei schon gekommen?

Für das junge Christentum ist die jüdische Apokalyptik von beträchtlicher Bedeutung gewesen. Die meisten jüdischen Apokalypsen sind nur in den christlichen Kirchen überliefert und bewahrt worden, während sie nach dem katastrophalen Ende des Bar-Kochba-Aufstandes aus der offiziellen jüdischen Tradition ausgeschieden wurden.

Das frühe Christentum benutzte sie, um die Stellung Jesu im Prozess des Kommens der Endzeit anzugeben und seine einzigartige Funktion für Heil und Erlösung der Menschen zu artikulieren. In seinem Tod und seiner Auferstehung haben sich das Zorngericht Gottes und die Zeitenwende vollzogen. Wer sich zu Jesus und seiner Botschaft bekennt, gehört schon jetzt zum Reich Gottes. (…) Im Mittelpunkt seiner Verkündigung steht, dass das Neue in seinem Tun schon anbricht, dass es nicht schlagartig hereinbricht, sondern schon im Wachsen ist, wie ein Samenkorn in der Erde. Er lehnt darum jede Berechnung des Kommens von Gottes Herrschaft ab. Entscheidend ist, ob der Mensch, der die Botschaft von der angebrochenen neuen Zeit hört, sie annimmt und danach sein Leben orientiert. Wer sich mit Berechnungen beschäftigt, verfehlt das Neue fundamental, das schon da ist. Ebenso lehnt Jesus jede Beteiligung an Kämpfen zur Herbeizwingung des neuen Aions ab. Gott selbst setzt sich gegen das Böse mächtig durch, Aufgabe des Menschen ist es nicht schon jetzt den Unkraut aus dem Weizen zu reißen, das Böse auszurotten. Gott wird Richter sein über gut und böse, nicht der Mensch. Die Vorstellung vom Richten Gottes ist wohl sicher ein Gedanke, den Jesus aus der apokalyptischen Tradition seines Volkes bewahrt hat.“

 (Thol-Hauke – 8.29) http://www.seggeluchbecken.de/projekt/apokalypse.htm#1apokalyptik

 

Jüdische, Christliche und islamische Apokalyptik – Kurt Meinel

 „Es ist zu unterscheiden zwischen dem Begriff der Apokalypse als literarischer Gattung und als Ereignis. Religionsgeschichtlich spielt beides „in allen denjenigen Religionen“ eine bedeutsame Rolle, „in denen sich eine Eschatologie entwickelt hat“: Zu nennen sind hier neben der jüdischen und der christlichen Religion diejenigen des Vorderen Orients, Mesopotamiens und Indiens; auch die ägyptische und sogar indianische Religionsformen wissen von apokalyptischen Wehen am Ende der Zeiten zu berichten. Religionsgeschichtlich haben wir es also mit einem bedeutsamen Phänomen zu tun. (…)

Die Apokalypse als Ereignis

Allen Religionen, die ihre Wurzeln im Mittelmeerraum haben, liegen im Bereich ihrer Eschatologie iranische und indische Apokalypsevorstellungen zugrunde. Die indische Spekulation geht ebenso wie die auf ihr basierenden iranischen Mythen von einer Aufteilung der Geschichte in drei bzw. vier „Weltzeitalter“ aus. Jeweils von unterschiedlicher Dauer, verschlechtern sich irdische Zustände bei Natur und Mensch zusehends. Während die indische Apokalyptik die Verschlechterung der Weltzustände noch mit pantheistischen Vorstellungen verknüpft (das All altert), kennt der Iran mit der Figur des Zarathustra eine Erlösungsgestalt, die am Ende der Zeiten die Scheidung von Gut und Böse in Gang setzt. Hier tauchen auch die ersten literarischen Apokalypsen auf.

Ob die iranische Apokalyptik selbst die jüdische Apokalyptik beeinflusst hat, oder ob dies durch Vermittlung parsischer Apokalypsevorstellungen geschah, ist in der Forschung umstritten.

„Für die christliche Theologie besitzt die Apokalyptik des Parsismus“ jedenfalls „vorrangige Bedeutung“. In ihr tauchen erstmals auch die uns bekannten Vorstellungen eines Weltgerichtes, der Totenauferstehung, einer messianischen Gestalt (im Persischen der Saoshyant) und schließlich einer Läuterungszeremonie (der endzeitlichen Scheidung der guten Menschen von den bösen) auf. Diese Läuterungszeremonie wird eingeleitet durch den Einschlag eines riesigen Meteors, durch den die Berge zerstört werden und ein See flüssigen Metalls entsteht.

Damit haben wir auch schon die wesentlichen Elemente des Ereignisses „Apokalypse“ zusammengetragen, die sich mehr oder weniger stark ausgeprägt in all den eingangs genannten Religionen finden.

Ich fasse zusammen:

1) Der Weltenlauf ist in verschiedene Perioden aufgeteilt, in denen eine zunehmende Verschlechterung der Zustände zu beobachten ist (soziale Verwerfungen, Unruhen etc.). Am Ende dieses Prozesses kommt es zur endzeitlichen Katastrophe.

2) Der notwendige Läuterungsprozess wird durch eine messianische Gestalt in Gang gesetzt.

3) Der Läuterungsprozess beginnt mit einer allgemeinen Totenauferstehung.

4) Mit dem Läuterungsprozess der Menschheit einher geht die Läuterung der Natur/Welt durch kosmische Katastrophen (Weltenbrand, Erdbeben, Meteoriteneinschlag etc.). Dabei spielt das Feuer als reinigende Kraft eine herausragende Rolle.

5) Die Menschheit wird in Gute und Böse getrennt. Dabei pflegen die „Guten“ die Läuterung durchs Feuer unbeschadet zu überstehen, während die „Bösen“ den Feuertod sterben. (…)

 

Die Apokalypse als literarische Gattung

Die Entstehung apokalyptischen Schrifttums hängt natürlich eng mit dem Ereignis „Apokalypse“ zusammen, ist begrifflich jedoch deutlich von ihr zu trennen. Apokalyptische Literatur ist mehr als die bloße Schau zukünftiger Ereignisse – hier zeigt sich lediglich ihr Ursprung aus der prophetischen Literatur -, sie ist bereits Reflexion der Apokalypse unter eschatologischen, theologischen, sozialen … Gesichtspunkten. In ihr findet die Verarbeitung angesagter und geschauter Zukunft unter den Bedingungen der jeweiligen sozialen, gesellschaftlichen oder politischen Wirklichkeit statt. Auch die Wege, auf denen solche Offenbarung geschieht, ähneln sich: „Himmelsreisen; Traumvisionen; visionäre Ekstase im wachen Zustand“. (…)

Entstehung der jüdischen Apokalyptik

In der Forschung geht man davon aus, dass die eigentliche Entstehung der jüdischen Apokalyptik mit dem Niedergang des Prophetentums in Israel einsetzt.

Dabei kommt es zwischen Prophetie und einsetzender Apokalyptik zu einem regen Austausch. Durch den vielfältigen Kulturtransfer, der schon während der Exilszeit und danach mit Babylonien und dem Iran einsetzte, dürften die Juden Palästinas (die als die Hauptträger apokalyptischen Denkens und apokalyptischer Literatur gelten können) mit der indisch beeinflussten Eschatologie des Irans in Berührung gekommen sein.

Als erstes schriftliches Zeugnis jüdisch-apokalyptischer Literatur liegt uns das Danielbuch vor, dessen Entstehung in die Zeit der Glaubensverfolgungen durch Antiochus IV. Epiphanes fällt (um 167 v.Chr.). Ihm folgen bis weit ins 4. nachchristliche Jahrhundert hinein viele weitere Apokalypsen und Visionsberichte. Ihnen allen ist gemein, dass sie anonym bzw. unter einem Pseudonym verfasst sind, sich in der Autorenschaft aber auf die prophetischen Größen der israelitischen Geschichte berufen. So sind uns – vor allem durch christliche Überlieferung – eine Reihe von jüdischen Apokalypsen erhalten geblieben.

Man kann die Entstehung und Verbreitung der jüdischen apokalyptischen Literatur grob in drei Phasen unterteilen:

1) Eine erste Phase in vorchristlicher Zeit; ihr entstammen neben dem bereits erwähnten Danielbuch das äthiopische Henochbuch (in seinen Grundzügen vor 167 v. Chr.), die Kriegsrolle von Qumran oder die Testamente der 12 Patriarchen (130-64 v. Chr.).

2) Ein zweiter Abschnitt, der den Zeitraum bis etwa 70 n. Chr. umfasst; in diesen Bereich fällt die Entstehung der Himmelfahrt Moses (nach dem Tode Herodes d.Gr. abgefasst, also um die Zeitenwende) und des Jesajamartyriums (ebenfalls vor 70, wahrscheinlich zur Zeit der syrischen Religionsverfolgung abgefasst und im 2./3. Jahrhundert durch christliche Hand ergänzt).

3) Eine dritte Phase nach 70 n.Chr., deren apokalyptische Literatur uns jedoch fast nur noch in christlicher Redaktion erhalten ist: die Baruchapokalypsen (Anf. 2.Jh.), die Abraham-Apokalypse (um 100 n.Chr.), das Abraham-Testament (auf einer vorchristlichen jüdischen Erzählung basierend) u.a. (…) Das bekannteste Beispiel jüdischer Apokalyptik wurde bereits genannt: Es handelt sich um das in der Makkabäerzeit entstandene Buch Daniel. Es ist auch für die christliche Eschatologie von herausragender Bedeutung; hier finden wir wichtige Eckpfeiler jüdisch-christlicher Apokalyptik beieinander genannt, die uns zum Teil auch schon aus der Religionsgeschichte bekannt sind. (…)

Die christliche Apokalyptik

(…) Ich habe bereits erwähnt, wie sehr die christliche Apokalyptik eine Fortführung der jüdischen Heilserwartung ist. Das Schwergewicht wird also auf denjenigen Zügen einer christlichen Apokalyptik liegen, wo diese Neues und Originäres entwickelt hat. (…)

„Man wird das Christentum der Apokalypse als ein schwach christianisiertes Judentum bezeichnen müssen.“

Dieser Satz Bultmanns markiert den Beginn eines Prozesses, der vom „Christentum der Apokalypse“ zu einer selbständigen „Apokalyptik des Christentums“ führt. Es ist gleichzeitig der Prozess, in dem sich auch „die Eschatologie des Christentums von der des Judentums entfernte“. Dieser Entwicklung wollen wir kurz nachgehen. Die Verkündigung Jesu ist ebenso wie die der Evangelisten von eschatologischer Naherwartung geprägt. Hier begegnen uns ebenso wie in der paulinischen Verkündigung religionsgeschichtlich bereits bekannte Motive:

1) Endzeitliche Wehen wie Hass und Verrat, Umsturz der bisherigen Verhältnisse und kosmische Katastrophen, die dem eigentlichen Gericht vorausgehen:

„Dann werden viele abfallen und werden sich untereinander verraten und werden sich untereinander hassen […]. Sogleich aber nach der Bedrängnis jener Zeit wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren, und die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.“

2) Das Jüngste Gericht (als kosmisches, alle Menschen betreffendes Weltgericht) mit dem Richter auf dem Thron:

„Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit, und alle Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit […].“

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Verweis auf die bereits aus Dan 7

bekannte Gestalt des „Menschensohns“ als Messias der Endzeit.

3) Die endzeitliche Scheidung aller Guten von den Bösen durch den Richter – ewiges Leben für die Guten, ewige Strafe für die Bösen:

„Und er wird sie [die Völker] voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet […] und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.“ (…)

Die Johannesapokalypse als Bündelung und Urgrund christlicher eschatologischer Hoffnung ist in Aufnahme dieser Motive aber nicht nur Fortführung christlich geprägter jüdischer Apokalyptik im Sinne Bultmanns, sondern markiert den Beginn einer sehr eigenständigen christlichen Apokalyptik. Die um das 95/96 n.Chr., zur Regierungszeit des Kaisers Domitian unter dem Eindruck der Christenverfolgungen entstandene Apokalypse stellt in ihrer Kanonizität gegenüber unzähligen anderen Apokalypsen des 1. und 2. Jhs. (vgl. dazu die Ausführungen zur jüdischen Apokalyptik) eine Ausnahme dar, zumal sie auch formal aus dem Kanon des Neuen Testamentes herauszufallen scheint. Mit visionärer Kraft entfaltet sie eine himmlische Vision vom kommenden Gericht. Auch hier begegnen uns bekannte apokalyptische Motive: der Thron Gottes (Apok 4,2.5 in Anlehnung an Dan 7), das Buch mit den sieben Siegeln als Buch der Taten der Menschen (Apok 5, ebenfalls aus Dan 7 bekannt), kosmische Katastrophen als Vorboten des kommenden Endes (Apok 6,12ff., die sechs Posaunen Apok 8f. u.ö.), der Anbruch des ewigen Friedensreiches nach dem Endkampf mit dem Bösen (Apok 20f.) usf.

Entscheidend neu ist hier aber die Art und Weise, wie das „althergebrachte“ apokalyptische Material im Hinblick auf die in Jesus Christus geschehene endgültige Offenbarung gedeutet und zur Vollendung gebracht wird. Durch diese Offenbarung „werden für Johannes alle Hoffnungsbilder des Alten Testamentes transparent“. Der Tag des Gerichtes und der Tag des Weltendes ist – jedenfalls für die frommen Christen – kein Tag des Schreckens mehr. Vor allem aber sind sie sich gewiss, dass sie an jenem Tag keinem ominösen Richter, keiner supranaturalen Erlösergestalt begegnen werden, sondern dem leibhaftigen Sohn Gottes selbst. Es ist das spezifische Kennzeichen christlicher Apokalyptik – im Gegenüber zur jüdischen Apokalyptik -, dass sie dem Tag am Ende der Welt ein sehr greifbares Gesicht verliehen hat – sie ist sich sicher, dass es der Tag ihres „kyrios“ sein wird. Greifbar bleibt dieses Gesicht auch angesichts des Ausbleibens des Jüngsten Tages. Denn die christliche Gemeinde hat das Bild ihres Herrn und Erlösers täglich vor Augen. Die Ungewissheit der Wiederkunft Christi wird so zur Gewissheit seiner täglichen Anwesenheit. Der Tag des Gerichtes ist von nun an zugleich Tag der Wiederkunft, der Parusie des Herrn und das eine vom anderen nicht mehr zu trennen. Dieser Zug sollte die weitere Christentumsgeschichte entscheidend mitbestimmen.

Apokalyptik in der alten Kirche (…)

Nachdem es im 2. Jh. n.Chr. aufgrund der Parusieverzögerung zu einer verstärkten Rezeption jüdischer Apokalypsen gekommen war (besonders durch die Kirchenväter, wie bereits erwähnt), entwickelten sich jüdische und christliche Apokalypsen immer mehr auseinander. Seit „dem 4.Jh. wird es zur Regel, dass entweder die Darstellung von Gericht und Weltuntergang oder die Schilderung von Himmel und Hölle im Vordergrund steht“. Die Funktion der Apokalypse, den „Glaubensmut der Frommen in schwerer Zeit“ zu stärken, tritt hinter den paränetischen Charakter derselben zurück, in dem Maße, wie nun nicht mehr das „Wann“ des Kommens, sondern das „Wie“ zum Gegenstand des (literarischen und theologischen) Interesses wird. Dies begünstigt die Entstehung einer eigenen christlichen Eschatologie, ja, die Parusieverzögerung macht sie sogar notwendig.

Im späten 5.Jh. tauchen dann auch erstmalig künstlerische Darstellungen des Weltgerichtes auf, die in ihrer Detailtreue, die bisweilen an Detailversessenheit grenzt, immer ausführlicher werden. Dabei bedient sich die christliche Apokalyptik freizügig aus den überkommenen Vorlagen: Das typische Weltgerichtsbild enthält neben dem auf einer Mandorla thronenden Christus iudex, aus dessen Mund Schwert und Lilie kommen, auch Maria und Johannes den Täufer als Fürbitter, die Engel mit den Posaunen, die Folterwerkzeuge (arma Christi), die Darstellung des Himmels und der Erlösten und die Hölle mit den Verdammten. Seit dem 12. Jh. wird dieses Bildprogramm ergänzt durch Einzelheiten der Höllendarstellung wie Teufel, Seelenwaage, Feuerpfuhl, Folterwerkzeuge u.ä. Einen gewichtigen Beitrag zu einer stark jenseitig orientierten Frömmigkeit leistete auch die Entwicklung der Lehre vom Fegfeuer (limbus), einem Vorort der Hölle, und die Lehre vom doppelten Gericht (der Unterscheidung eines persönlichen, nach dem Tode des Einzelnen stattfindenden sog. Individualgerichtes, vom Jüngsten Gericht). Zwar hat man die Jahrtausendwende im Hinblick auf die apokalyptische Wirkung lange Zeit überschätzt, aber man wird den Eindruck, den die großen Seuchen des Mittelalters, im besonderen die Pest, auf die Menschen und ihre Vorstellung von Apokalypse gemacht haben, nicht unterschätzen dürfen. Davon zeugen nicht zuletzt zahlreiche apokalyptische Bewegungen des Mittelalters.

Immer wieder hat man auch die gegenwärtige Zeit als Endzeit gedeutet, da man mit dem irdischen Wirken Jesu den letzten Äon bereits angebrochen und die Parusie jederzeit zu erwarten sah. Verschiedene Kaiser und Päpste des Mittelalters fungierten in dieser Geschichtsdeutung in der Rolle des Antichristen, Naturkatastrophen, Kriege und Seuchen waren jeweils die Wehen des bevorstehenden Jüngsten Tages.

Die Zeit der Kreuzzüge war in besonderem Maße von dieser apokalyptischen Geschichtsdeutung gekennzeichnet.

Um nun die Wirkung zu skizzieren, die die christliche Apokalyptik auf die Entwicklung der islamischen hatte, wähle ich im folgenden letzten Hauptpunkt meiner Arbeit als Quelle eine islamische Apokalypse aus der Kreuzzugszeit.

Die Apokalyptik des Islam

„An Konstantinopel und Rom gemessen war der Islam der Emporkömmling. Er besaß keine Vergangenheit, keine historische Tradition. Und darum, so fühlt man sich zu sagen versucht, nahm der Islam die Geschichtswelt der Römer, der Perser und der biblischen Überlieferung an sich.“

In nur hundert Jahren, vom Tode des Propheten im Jahre 632 bis zur Schlacht von Tours und Poitiers 733, bei der der islamische Vorstoß nach Westeuropa gestoppt werden konnte, gelang es dem Islam, seinen Herrschaftsbereich zu konsolidieren und ein eigenes geschichtliches und religiöses Bewusstsein zu entwickeln.

Dies gilt auch für den Bereich der Apokalyptik. Wie später zu zeigen sein wird, kennt der Koran den Glauben an ein Jüngstes Gericht, doch weist Mohammed selbst darauf hin, dass der Zeitpunkt und der Ablauf dieses Gerichts unbekannt sind und sein sollen. „Nur war ihm und seinen Zeitgenossen eigentlich selbstverständlich, dass sie [die große Stunde des Gerichts, Anm.d.Verf.] bald eintreten werde.“ Die Enttäuschung darüber, dass der erhoffte Tag nicht eintraf, wurde durch die rasche Ausbreitung des Islam aber wieder ausgeglichen. (…)

 

Apokalyptik im Koran

In der eigentlichen Urkunde des Islam, dem Koran, begegnen uns im Vergleich zur Bibel und auch zur späteren apokalyptischen Literatur des Islam selbst relativ spärliche Zeugnisse einer durchdachten Eschatologie. Fest stand allerdings schon für Mohammed, dass es ein Jüngstes Gericht ebenso gibt wie das Paradies und die Hölle. Dass er dabei, wie auch in anderen Fragen, reichlich aus der christlich-jüdischen Tradition schöpfte, wurde inzwischen immer wieder nachgewiesen.

Schon in der zweitältesten Sure 74

„Der Bedeckte“ heißt es (41-48):

Jede Seele ist für das, was sie geschafft, verpfändet […] in Gärten werden sie einander befragen nach den Sündern.

„Was hat euch ins Höllenfeuer getrieben?“ Sie werden sprechen: „Wir waren nicht unter den Betenden, und wir speisten nicht die Armen, und wir schwatzten mit den Schwatzenden, und wir erklärten als Lüge den Tag des Gerichts, bis zu uns kam die Gewissheit.“

Der Tun-Ergehenszusammenhang wird hier ebenso betont wie die Gewissheit des kommenden Gerichts. Auffallend ist hier der Zusammenhang mit Mt 25,31ff., der Weltgerichtsperikope, in der es um die Werke der Barmherzigkeit geht.

Auch Sure 13 „Der Donner“ sagt von denen, die Gottes Wort ablehnen, dass

sie des Feuers Gefährten sein und ewig darinnen verweilen werden. Diejenigen aber, die Gott fürchten, die „Guten“, kommen als Belohnung in Edens Gärten, in die sie eintreten sollen nebst den Rechtschaffenen von ihren Vätern, ihren Frauen und ihrer Nachkommenschaft; und die Engel sollen eintreten zu ihnen von allen Toren (und sprechen). Frieden sei auf euch, darum dass ihr standhaft bliebet! (23.24) (…)

Auch der Koran kennt die Engel als Boten Gottes, die am Jüngsten Tag als Zeugen für oder gegen die Menschen auftreten und die Höllentore hüten. Ihnen stehen die Teufel entgegen, deren oberster Anführer ein gefallener Engel ist. Hier sind die Parallelen zum Christentum mehr als deutlich, ebenso wie im Szenario des Jüngsten Tages: „Da wird dann die Trompete geblasen, die Himmel werden bersten, die Berge werden zu Staub zermahlen, die Gräber werden sich öffnen. Der Schutzengel eines jeden Menschen wird Zeugnis ablegen für seine Vergangenheit. Die Taten des Menschen werden auf der Waage gewogen, und das Buch wird in seine Hand gelegt, in die rechte Hand beim Gesegneten, in die linke Hand bei dem Verdammten.“ (…)

Eine islamische Apokalypse aus der Kreuzzugszeit

Die dargelegten Befunde machen deutlich, dass der Urgrund islamischer Theologie sich auf dem Boden dessen bewegt, was uns aus der iranischen und der jüdisch-christlichen Eschatologie bekannt ist, allerdings in recht knapper Form. (…)

Mohammed rechnete noch zu seinen Lebzeiten mit dem Anbruch des Jüngsten Tages, wie das auch für Jesus angenommen wird. Als der Religionsstifter starb, ohne dass das eschatologische Gottesgericht angebrochen war, entwickelte sich, wie auch im Judentum und im Christentum, die Selbstverortung in der Endzeit: Man glaubte immer wieder eine Verschlechterung der Zustände, eine „Zunahme der apokalyptischen Wehen“ beobachten zu können, und in besonderen Zeiten der Bedrängnis erwartete man quasi täglich das Endgericht.

Davon zeugen zahlreiche kleinere apokalyptische Schriften meist dunklen und visionären Inhalts. Diese sogenannten „Hadit“ sind kurze, poetische Sinnsprüche, die meist mündlich im Umlauf waren und den Weltenlauf bzw. die Ereignisse am Ende der Zeit zum Thema hatten. (…)

Apokalypsen größeren Umfangs sind selten; eine davon ist die vorliegende apokalyptische Schrift aus der Zeit der Kreuzzüge. Sie wurde um 1180 von einem unbekannten, wahrscheinlich aus Ägypten stammenden Autor verfasst. In ihr finden wir die für den Islam und seine Geschichte ganz charakteristische Verbindung politischen und religiösen Erlebens; fällt ihre Entstehung doch in die Zeit der Kreuzzüge, speziell in die Zeit, da Ägypten von den Syrern unter Saladin und den Franken unter König Amalrich hart umkämpft wurde. Jede Macht wollte sich die Vorherrschaft in diesem Lande sichern, und es kam zu gewaltigen Zerstörungen, Bränden und Ermordungen. Der Verfasser der vorliegenden Schrift muss seine Zeit also wahrhaftig als „apokalyptisch“ empfunden haben. So hat denn die aus 23 Einzelsprüchen bestehende Apokalypse den endzeitlichen Krieg verschiedener Völker zum Thema, der sich im gesamten vorderasiatischen Raum abspielt. Beim Zusammentreffen bestimmter kosmischer Konstellationen (die Astrologie spielt hier eine bedeutende Rolle bei der zeitlichen Einordnung der apokalyptischen Ereignisse) kommt es zum Krieg zwischen dem König des Ostens und dem Herrn des Westens, in den schließlich auch die Römer und die Griechen eingreifen. Es kommt zu Hungersnöten, Ermordungen, Versklavung von Ägyptern, Kairo brennt dreimal ab. Jerusalem wird eingenommen und viele Menschen sterben. Nach mehreren schlimmen Schlachten tritt schließlich der Mahdi, eine endzeitliche Erlösergestalt, auf, unter dem eine Zeit des Friedens beginnt. Nach Ablauf dieser Zeit kommt es zum Endkampf mit dem Daggal, dem Antichristen, der von Jesus getötet wird. Gog und Magog schließen Jesus auf einer Burg auf dem Berg Tabor ein; dort muss er so lange bleiben, bis Gog und Magog gestorben sind. Danach wird Jesus befreit werden, heiraten und Kinder zeugen, bis er stirbt und in Medina neben dem Propheten begraben wird. Die Apokalypse endet mit der Aussicht auf Rettung für alle Frommen, die Gott – ungewöhnlicherweise – sterben lässt und damit zu sich holt. Die Schlechten verbleiben auf der Erde: „über sie wird die Stunde hereinbrechen“. (…)

 

Das Hauptgewicht liegt aber eindeutig nicht auf Naturkatastrophen, sondern auf den zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen. Sie sind das hauptsächliche Kennzeichen der einsetzenden Endzeit.(…)

Dann wird der Mahdi erscheinen und den Sufjani schlachten […]. Er wird die Erde mit Recht und Gerechtigkeit erfüllen.

„Die Gestalt des Mahdi (der Rechtgeleitete) repräsentiert eine spezifisch islam[ische] Vorstellung, unabhängig davon, was sie indirekt den vorislamischen Religionen verdanken mag.“ Der Mahdi ist damit die messianische Gestalt des Islam schlechthin. Während weder Mohammed noch der Koran die Gestalt des Mahdi kennen, kam es unter dem Eindruck jüdisch-christlicher Parusieerwartungen und der Glaubensverfolgungen in der Omajjadenzeit in einer bestimmten schiitischen Richtung des Islams (den sog. „Zwölfern“) zur Verehrung des Mahdi. Dabei herrscht der Glaube, dass am Ende der Zeiten der als im Jahre 880 verschollen geltende zwölfte Imam Muhammad Abu`l-Qasim wiederkehren und eine Periode des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten wird, bevor es zum Endkampf zwischen Jesus und dem Antichristen kommt. (…) Neben den genannten Elementen, die als apokalyptisches Allgemeingut gelten können und die im Islam ihre eigene Prägung erhalten haben, finden wir explizit Aufnahmen aus christlich-jüdischen Quellen. Dazu gehört z.B. die Vorstellung, dass der Antichrist am Ende der Tage nach der Friedensherrschaft des Mahdi auftreten wird:

„Dann wird der Daggal (der Antichrist) auftreten und wird 40 Tage bleiben, einen Tag wie ein Jahr, einen wie einen Monat, einen wie eine Woche, die übrigen Tage aber wie eure Tage.“

Interessant sind hier die Parallelen zu Apok 20. Während vom „Antichrist“ in der Johannesoffenbarung nicht direkt geredet wird (was zeigt, dass der Islam aus zeitgenössischen Vorstellungen und nicht aus der biblischen Tradition geschöpft hat), deckt sich die Vorstellung einer Friedensherrschaft des Mahdi, nach deren Ablauf der Antichrist herrschen wird, mit der chiliastischen Vorstellung in Apok 20: Nach Ablauf der 1000 Jahre des messianischen Friedens kommt es zum Auftreten des Satans. Und wie im Christentum ist Jesus in unserer Apokalypse der Überwinder des Antichristen:

„Und Isa (Jesus) wird in zwei gelben Gewändern beim weißen Minarett auf der Ostseite von Damaskus herabsteigen und den Leuten die Asr-Salat vorbeten und den Daggal aufsuchen und ihn am Tore von Ludd töten.“ (…)

Ich hoffe, es ist deutlich geworden, wie sehr die Apokalyptik ein die Juden, Christen und Muslime verbindendes Element ist. All diese Religionen berufen sich auf den Gott des Ersten Bundes, und sie erwarten alle das heilsmächtige Eingreifen ihres Gottes am Ende der Zeiten. Alle rechnen damit, dass das Leben mit dem Tod nicht endet, sondern dass das Tor sich öffnet in eine bessere, schönere, ewige Welt. Allen Gläubigen wird in der Apokalypse nicht nur das Dasein Gottes in ferner Zeit, sondern sein Zuspruch und die Ermutigung in der Gegenwart zugesprochen, so bedrückend diese Gegenwart auch sein mag. Das Versprechen, dass Gott am Ende aller Tage und an unserem eigenen Ende da sein wird und die Hoffnung auf diesen gemeinsamen Endpunkt ist, wie ich meine, ein starkes Band.

Die gemeinsame Hoffnung auf einen endzeitlichen Erlöser ist das Gemeinsame, aber gleichzeitig auch das Profilierende jeder der genannten Religionen. Wir alle erwarten die Parusie, und das Judentum wäre ohne die starke Hoffnung auf den endzeitlichen Messias ebenso kraftlos wie die Christen, wenn sie die Hoffnung auf die baldige Wiederkehr ihres Herrn Jesus Christus fahrenlassen oder vergessen würden. Und die Hoffnung auf das Auftauchen des Mahdi im Islam ist Ausdruck der Sehnsucht nach dem gerechten und friedvollen König, mit dem eine Zeit des Friedens anbricht – eine Sehnsucht, die das Alte wie das Neue Testament gleichermaßen kennen. Es war nicht das Ziel dieser Arbeit, in erster Linie Unterschiede zwischen den drei Religionen herauszuarbeiten. Diese sind sattsam bekannt, und ich verzichte deshalb auf eine Darstellung. Viele dieser Unterschiede hemmen den Dialog, weil sie weniger als Eigenwert denn als Grenzen der Kommunikation verstanden werden. Um solche Grenzen zu überwinden und das Hemmende hinter sich zu lassen, eignet sich die Eschatologie vielleicht am besten, weil sie an sich außerhalb der Grenzen des menschlich Denkbaren liegt. Was am Jüngsten Tag letztendlich wirklich passieren wird, ist – trotz aller „Aufdeckungen“ – ein uns Christen mit den Juden und den Muslimen verbindendes Geheimnis.“

(Meinel – 8.30) http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/101947.html, 1999

 

 

Herr Meinel hat so für mich nicht nur sehr treffende Zusammenfassungen und Vergleiche begeben, sondern auch den wesentlichen Punkt erschaut, nämlich das Erkennen der vielen Gemeinsamkeiten der 3 Abrahamistischen Religionen und ihrer Apokalypsen sowie die gemeinsamen Vermächtnisse, Ziele und Hoffnungen.

 

 

Dies ist ein Auszug aus dem Buch DEI VERMÄCHTNIS.